... meine Vorbilder
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Die weiße Rose

Sicher erwarten jetzt einige, dass ich mit namhaften Persönlichkeiten aufwarte, die politisch oder kulturell oder vielleicht sogar sportlich in aller Munde sind. Für mich gibt es in dieser Beziehung kaum wirkliche Vorbilder, weil man diese immer fast ausschließlich an ihrer Leistung festmacht, den Menschen dahinter aber kaum wirklich kennt. Doch gerade der Mensch und seine Leistung sollten Richtlinien für eigenes Handeln sein. So sind meine wahren Vorbilder in erster Linie unmittelbar in meiner Familie zu finden und bei Menschen, die mir sehr nahe stehen.

Aber es gibt auch zwei Ausnahmen, nämlich eine Künstlerin und eine Politikerin, die ich zugleich als Menschen bewundere und die sich beide viel zu früh trotz ihrer unglaublich inneren Stärke einer der wohl gemeinsten Krankheiten geschlagen geben musste. Dem Krebs. 1996 starb Tamara Danz, die Sängerin von Silly und der (ost)deutsche Freigeist im Alter von nur 44 Jahren.

Die erwähnte Politikerin gehörte lange Zeit der SPD an und zeichnete sich immer dadurch aus, dass sie so sprach, wie ihr „der Schnabel gewachsen war“. Und was sie sagte, hatte fast immer Hand und Fuß – das ließ sie für viele „Parteisoldaten“, die unser ganzes Land regelrecht überfluten, zur Unbequemen in den Reihen der sich in der Macht bequem Eingerichteten werden. Ihr Name: Regine Hildebrandt!

 

Doch jetzt ist es an der Zeit für meine wahren Vorbilder,
die mein Leben maßgeblich und entscheidend beeinfluss(t)en und bestimm(t)en:

Meine Eltern

Ihr Verdienst liegt nicht nur darin, dass sie mich als ihren einzigen Sohn zu dem haben werden lassen, was ich heute bin: ein kritischer, doch trotzdem liebevoller und lustiger Zeitgenosse, der keine Auseinandersetzung scheut, wenn er davon überzeugt ist, dass er für die Dinge, für die er eintritt, kämpfen muss, selbst wenn seine Gegner vermeintlich mehr „Macht oder Einfluss“ haben.

Gisela und Fritz Koß haben nicht nur das nationalsozialistische System und einen Krieg überstanden, sie haben auch immer als unglaublich friedliebende und der Gerechtigkeit verpflichtete Menschen seit 1964 gewissenhaft meine Erziehung in ihre Hand genommen. Damals wusste ich noch nicht, wie schwer es in der DDR war, diesen Grundsätzen verpflichtet zu sein.

Mutti und Vati 1963

Meinem Vater verwehrte man in den fünfziger Jahren sein Abitur, weil sein Vater, Erich Koß, in politische Haft genommen wurde und man ihn fünf Jahre unter bestialischen Bedingungen einsperrte. Der Grund dafür war, dass er die Zwangsvereinigung von KPD und SPD als überzeugter SPD-Genosse öffentlich ablehnte. Niemals trat mein Vater, genauso wie meine Mutter, in die SED ein und widerstand auch allen Versuchungen, als man ihn zu zwingen versuchte, in diese Partei einzutreten, damit er als Bauingenieur seine Leitungsfunktion fortsetzen kann. Er verzichtete auf diese Funktion und blieb seinem Gewissen treu. Dieses vorbildliche Verhalten seinerseits hatte auch zur Folge, dass ich niemals irgendeiner Partei, in Vergangenheit wie Gegenwart, beitrat, da die einzige wirklich Verpflichtung in seinen Aufgaben und seinem Gewissen liegen sollte, aber nicht in Parteidisziplin.

Meine Mutter sollte sich, nachdem der Vater ihres damaligen Freundes und heutigen Mannes verhaftet worden war, von Fritz Koß trennen. Der Druck, den man auf sie ausübte, indem man ihr ebenfalls mit Repressalien drohte, war fast unerträglich. Auch sie widerstand, entschied sich für ihre Liebe und gegen ein diktatorisches System. Eine „verhängnisvolle“ Entscheidung. Was wohl wäre passiert, hätte sie sich in diesem Moment für ihr Vorankommen und gegen Fritz entschieden?  Eine der Antworten wäre gewesen: einen Thoralf Koß hätte es nie gegeben. Liebe Eltern, ich bin euch zu unendlichem Dank verpflichtet! Wo ich jetzt stehe, stehe ich durch euch und eure Erziehung. Ihr seid meine Vorbilder!

Meine Großeltern

Mein Großvater väterlicherseits, Erich Koß. Ein Mann, der mit hehren, großen Zielen angetreten war, nach dem Krieg Deutschland menschlicher zu machen und wiederaufzubauen. Nachdem er noch kurz vor Kriegsende einer Hinrichtung, weil er illegal ein Radio versteckt hatte, entgangen war, nahm er als Leiter einer großen Baufirma das Angebot an, den Wiederaufbau der fast komplett zerstörten Stadt Magdeburg als Stadtbaurat und somit zweiter Bürgermeister zu übernehmen. Mit Leidenschaft und voller Überzeugung übernahm er diese Herausforderung und versuchte sie zu meistern.

Opa Koss Oma Koss

 Er erfand sogar eine „Rüttelmaschine“, um den Trümmerfrauen die Arbeit zu erleichtern. Allerdings blieb er dabei seinen menschlichen und politischen Grundsätzen treu, was ihm zum Verhängnis werden sollte. Nachdem er sich gemeinsam mit dem Magdeburger Oberbürgermeister gegen die Zwangsvereinigung von KPD und SPD wehrte, wurden beide von der „roten Hilde“ – einer üblen stalinistischen Richterin – zu langjähriger politischer Haft verurteilt. Doch nicht nur das, man sprach beiden die staatsbürgerlichen Rechte ab und entzog ihnen alles, was sie besaßen. Nach seiner Entlassung floh mein Großvater als gebrochener und herzkranker Mann nach Frankfurt/Main, wo er später sogar das Bundesverdienstkreuz erhielt. Erich Koß kämpfte aus Überzeugung und verlor dabei seine Freiheit, aber niemals seine Überzeugung. Auch er ist mein Vorbild, selbst wenn er mir beinahe zum Verhängnis geworden wäre. In meiner Stasi-Akte wird seine „staatsfeindliche“ Entwicklung als einer der Begründungen angegeben, warum auch ich wohl ein Staatsfeind sein muss. So absurd das auch klingen mag, es ist ein Stück meiner eigenen DDR-Vergangenheit!
Genaueres zu Erich Koß kann man auch hier lesen!

Mein Großvater mütterlicherseits, Fritz Staake. Ein leidenschaftlicher Sportler und Familienvater. Er ist ganz eng mit der Entwicklung des DDR-Hockeysports verbunden und auch ihm nahm man in der DDR seine Existenzgrundlage, weil er sich nicht von der DDR-Politik vereinnahmen ließ. Als ehemaliger Hockeypräsident der DDR nahm er an den Olympischen Spielen von Melbourne (1956), Rom (1960) und Tokio (1964) teil. Er lebte für den heute fast in Vergessenheit geratenen Hockeysport und war für sein weltweit hohes Ansehen verantwortlich. Doch auch er widerstand den Zwängen, in die SED einzutreten, was seine Ablösung als Hockeypräsident zur Folge hatte. Kurze Zeit später starb er, wohl ein klein wenig auch an gebrochenem (Sport-)Herzen. Doch mit ihm starb auch die Anerkennung des DDR-Hockeysports. Dies war übrigens auch das Thema meiner Diplomarbeit von 1982, die, trotz des widersprüchlichen Inhalts, von meinem Professor mit „sehr gut“ bewertet wurde, da ihn die Fakten mehr als ideologische Gesinnungen überzeugten. Fritz Staake – ein weiteres Vorbild für mich!

Opa Staake

Bei diesem Vorbild greife ich auf etwas völlig Ungewöhnliches zurück, weil es nicht aus der Vergangenheit stammt, sondern ein Stück meiner/unserer Zukunft ist:       

Meine Tochter

Caro mit Gitarre

1986 noch in der DDR geboren, aber groß geworden in einem Land, das seine Menschen zwar nicht einmauerte, aber trotzdem durch ein sehr fragwürdiges Bildungssystem, das mehr Wert auf einen Numerus Clausus als auf wirkliche Begabung legt, es einem nicht immer leicht macht. Egal ob als Eltern oder als Kind. Und als Lehrer weiß ich genau, was ich hier schreibe!

Carolin versuchte sehr zeitig ihren eigenen Weg, der bestimmt war von Kultur, Kunst und Musik, zu gehen. Das ist leider in der heutigen BRD recht schwierig, wenn man sich nicht auf solchen Quatsch wie „Deutschland sucht den Superstar“ einlässt. Sie gewann mit einem Bild bereits einen bundesweiten Wettbewerb, tritt als Musikerin (Gesang, Keyboard, Gitarre und Schlagzeug) europaweit auf, stellt ihre Kunstwerke aus und studiert. Aber nicht in Deutschland, sondern in Finnland, wo man ihr ganz andere künstlerische Freiheiten einräumt. Sie ist den Weg gegangen, der mir in der DDR immer versperrt war. Und sie geht ihn selbstständig und voller Tatendrang. Sie ist der Spiegel, in den ich schaue und in dem ich mich wiedererkenne. Sie ist mein Antrieb und mein größter Kritiker – und selbst wenn ich sie an ein fremdes, mir immer vertrauter werdendes Land „verloren“ habe, zeigt sie mir, wie viel Fehler wir in Deutschland im Umgang mit unseren Kindern machen. Und sie treibt mich immer wieder an, diese Fehler endlich zu korrigieren. Danke Carolin, mach weiter so! Auch ich werde hier in Riesa mein Bestes versuchen! (Mehr in Ihrem Blog!)

Professor Peter Schade

Ein Zufall (Lehrerweiterbildung im Jahr 1993) brachte uns zusammen und ließ uns zu Freunden werden. Anfangs erschien diese Freundschaft „väterlich“ – der erfahrene, betagte Professor gibt seine Weisheiten an den weniger erfahrenen Jungsporn weiter. Doch schon hier war der Jungsporn fasziniert von der Art, wie Peter Schade sein historisches und politisches Wissen weitergab. Geschichte war für ihn nicht nur ein Konglomerat aus Fakten und Zahlen – sondern bei ihm verbarg sich hinter jeder Zahl, jedem Ereignis auch eine Anekdote, die Geschichte erlebbar machte. Das hatte nichts mit dem trockenen Historienmist zu tun, mit dem mich früher meine eigenen Lehrer zugeschüttet hatten.

Das also war mein erster Eindruck, doch so eine „väterliche Freundschaft“ wäre zuletzt wohl ähnlich beendet worden, wie in dem Song „Father And Son“ von Cat Stevens. Wir hatten schnell entdeckt, dass da mehr zwischen uns war als Lehrender und Lernender. Mit einem Mal tauschten sich unsere Rollen beliebig. Wir hörten einander zu, stritten und vertrugen uns, schienen plötzlich auf einer Ebene zu stehen und lernten von- und miteinander. Wenn wir zusammen sind oder waren hatte unser Geist Hochkonjunktur. Eine wirkliche Seltenheit in der heutigen Zeit – und so unglaublich wichtig wie die Luft zum Atmen. Ohne meinen Freund Peter wären so einige Ansichten von mir noch heute anders und wahrscheinlich auch falsch. Oft gelang es ihm, mich zu überzeugen, wenn ich mich leidenschaftlich mal wieder irgendwo verrannt hatte. Manchmal zwang er mich zur Umkehr, weswegen ich anfangs wütend, aber heute nur noch dankbar bin.

Übrigens liegt sein Buch „Grundgesetz mit Kommentierung“ bei mir auf dem Nachtisch und fast täglich schaue ich hinein – vor allem immer dann, wenn mir mal wieder heiße politische Diskussionen oder ein paar unbequeme Wege bevorstehen. Denn die Stärke des Menschen Peter Schade ist zugleich die Stärke dieses Buches: es kommentiert mit Beispielen, Erlebnissen und bis dato unbekannten Fakten unser deutsches Grundgesetz, das für viele heutzutage noch immer ein „Buch mit sieben Siegeln“ ist. Wer sich mit Professor Schade dieses Grundgesetz vornimmt, der bricht ein nach dem anderen Siegel und erkennt, dass man sogar sein eigenes Grundgesetz, trotz aller Paragraphen und Präambeln, verstehen kann.

Vielen Dank, lieber Peter!

 

 

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